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Wirtschaftsinstitut rechnet vor: Kosten der Praxen explodieren

„Die anhaltend hohe Teuerungsrate und der umkämpfte Arbeitsmarkt für Medizinische Fachangestellte (MFA) stellt die Arztpraxen in Deutschland vor immer größere wirtschaftliche Herausforderungen“, schlägt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) Alarm. So seien die Praxiskosten zwischen 2017 und 2020, also noch vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den daraus resultierenden Preissteigerungen, durchschnittlich um 13,2 Prozent gestiegen, obwohl die Inflation damals nur bei 3,7 Prozent lag.

Bereits im Juli 2022 hatte das Statistische Bundesamt eine Inflationsrate von 7,5 Prozent errechnet. „Nimmt man diesen Wert als Untergrenze“, so prognostiziert das Zi, dann kommen auf jeden Praxisinhaber Mehrkosten in Höhe von 12.700 Euro pro Jahr zu. „Gegenüber 2017 wären die Personalkosten dann um mehr als 30 Prozent, die Gesamtkosten für den Praxisbetrieb um nahezu 27 Prozent gestiegen“, so das Zi. Doch in der Realität werden die Kostensteigerungen noch weitaus höher ausfallen, da insbesondere die Energiepreise derzeit rasant steigen. „Diese Kostenexplosion muss durch die gesetzlichen Krankenkassen noch im laufenden Jahr gegenfinanziert werden“, fordert deshalb der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried in einer Pressemitteilung und begründet, die Praxen müssten in die Lage versetzt werden, insbesondere die steigenden Personalkosten zu stemmen. „Das sollte auch im Interesse der gesetzlichen Krankenkassen und insbesondere deren Versicherten liegen.“

„Die ambulante Versorgung durch uns Hausärztinnen und Hausärzte ist das Rückgrat unseres Gesundheitssystems, dies hat die Corona-Pandemie sehr eindringlich gezeigt, als 80 bis 90 Prozent der Covid19-Patienten ambulant versorgt wurden, und wir Niedergelassene damit den Krankenhäusern den Rücken für die Versorgung der Schwersterkrankten freigehalten haben. Wir haben aber nicht nur gegenüber unseren Patientinnen und Patienten eine Verantwortung, sondern auch gegenüber unseren MFAs und VERAHs, denen eine würdige Entlohnung zusteht. Wie die Berechnungen des ZI eindringlich belegen, brauchen wir umgehend einen Ausgleich für die extremen Kostensteigerungen, um die nachhaltige Versorgung in Stadt und Land sicherzustellen“, erklärt Dr. Karin Harre, Vorsitzende des Hausärzteverbandes Brandenburg. Schon jetzt hätten viele Praxen massive Personalprobleme, weil MFAs in Krankenhäuser wechseln, die höhere Löhne zahlen können. Seit Jahren gilt deshalb der Beruf der Medizinischen Fachangestellten als Engpassberuf, bestätigt das Zi. So stieg die Zahl der offenen Stellen bundesweit von 6.700 im Juli 2019 auf 9.600 im Juli 2022 – eine Steigerung von 42 (!) Prozent.

„Hausarztmedizin ist Teamarbeit. Wenn Hausärztinnen und Hausärzte keine Mitarbeiter mehr finden, steht die gesamte Versorgung auf der Kippe“, warnt Harre und erklärt: „In den letzten Jahren wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Tätigkeit in einer Hausarztpraxis sowohl für junge Medizinerinnen und Mediziner als auch für MFAs und VERAHs attraktiver zu machen. Diese Erfolge sind derzeit gefährdet, wenn Kassen und Politik auf Zeit zu spielen. Es ist dringend erforderlich, dass es kurzfristig zu deutlichen Honorarsteigerungen kommt und der EBM in Richtung hausärztliche Versorgung angepasst wird!“